10 Audit/Visitation

Die Einführung und Umsetzung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements kann durch externe Unabhängige bewertet und im Erfolgsfalle bestätigt werden. Ein solches Fremdbewertungsverfahren nennt man im Qualitätsmanagement Audit oder Visitation [3]. Davon abzugrenzen ist die Selbstbewertung, mit deren Hilfe die Einrichtung selbst überprüft, in wie weit die ergriffenen Maßnahmen dem jeweilig gewählten QM-Programm in ihrer Gesamtheit entsprechen. Im Hinblick auf die sozialgesetzliche Verpflichtung, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement in die ambulante Versorgung einzuführen, ist zu betonen, dass ein externes Audit oder eine externe Visitation durch den Gesetzgeber oder den Gemeinsamen Bundesausschuss ausdrücklich nicht gefordert werden.

Unter Audit versteht man einen "systematischen, unabhängigen und dokumentierten Prozess zur Erlangung von Auditnachweisen und zu deren objektiver Auswertung, um zu ermitteln, inwieweit Auditkriterien erfüllt sind." DIN EN ISO 9000:2000.

Audits und Visitationen haben die Aufgabe, die aktuell geleistete Qualität einzuschätzen, Systemmängel zu identifizieren, Unwirtschaftlichkeit aufzudecken und letztlich auf individueller Ebene professionelles Verhalten zu modifizieren. Dies geschieht retrospektiv oder prospektiv durch die Analyse insbesondere von Prozessdaten (z. B. Krankenakten, Verschreibungsverhalten, aber auch Praxisstruktur, -organisation). Im Abgleich mit der zugrunde gelegten Norm (z. B. DIN EN ISO 9001:2000) begutachten speziell ausgebildete Auditoren/Visitoren, ob in der ambulanten Einrichtung ein normgerechtes und vor allem auch tatsächlich gelebtes Qualitätsmanagement eingeführt wurde.

Abb. 10.1: Audit-Zyklus

Abb. 10.1: Audit-Zyklus

 

Oberstes Ziel der Audits und Visitationen ist die individuelle Qualitätsentwicklung ohne Sanktionsdruck [3].

Die Vorteile von Audits und Visitationen liegen in der individuellen Rückmeldung und der damit verbundenen Möglichkeit der direkten Umsetzbarkeit. Das Verfahren ist allerdings mit einem gewissen Aufwand verbunden und, je nach QM-Verfahren, mit teilweise nicht unerheblichen Kosten verbunden. Die Zeitabstände zwischen den Praxisbesuchen schwanken ja nach QM-Verfahren zwischen einem Jahr (so genannte Überwachungsaudits nach ISO) bis zu drei Jahren (z. B. bei QEP). Häufig wird der Besuch durch einen externen Sachverständigen und dessen Beurteilung von dem Praxisteam als eine Bestätigung der geleisteten Arbeit angesehen und hat auf diese Weise einen nicht zu unterschätzenden Motivationseffekt.

Nachteilig sind Akzeptanzprobleme durch das Gefühl, kontrolliert zu werden. Bei Audits und Visitationen kann es zu Problemen interindividueller Interaktionen und Rücksichtnahmen kommen. Die Ergebnisse sind bei einigen QM-Verfahren untereinander kaum vergleichbar.

Inhalte des externen Audits/der Visitation sind insbesondere die medizinischen Schlüsselprozesse einer Institution unter Betrachtung der beteiligten Personen und ihrer Interaktionen. Basis für die Auditierung/Visitation bildet die "Vor-Ort"-Überprüfung durch externe Fachkollegen (Auditoren/Visitoren).

Nach der Sichtung von ggf. vorab übersandten Unterlagen und nach Abschluss der Vor-Ort-Visitation erstellen die Auditoren/Visitoren einen schriftlichen Bericht mit Stärken, Verbesserungsbereichen und teilweise Handlungsempfehlungen für die untersuchte Einrichtung. Der Bericht ist Ausgangspunkt für praxisinterne Verbesserungsmaßnahmen.

Die Begehung bzw. der abschließende Bericht des Begehungs-Teams haben daher ausschließlich unterstützenden und hinweisenden Charakter. Keineswegs sollen die Ergebnisse mit dem Stigma des Versagens behaftet oder von Sanktionen gefolgt sein (so genannten "no-blame-approach"). Es geht nicht darum, die Organisation oder gar Praxisleitung und das Praxisteam für etwaige Schwächen oder Probleme zur Verantwortung zu ziehen. Vielmehr sollen Verbesserungsbereiche identifiziert bzw. Qualitätsverbesserungen gezielt empfohlen werden [1].

Der Aufwand für die Vor- und Nachbereitung sowie Durchführung von Audits/Visitationen ist nicht unerheblich. Die Wirksamkeit der Maßnahme hängt von einer Fülle von Faktoren ab. Relevant ist v. a. der problemorientierte und systematische Ablauf sowie die angemessene Schulung der Auditoren/ Visitoren [2].

10.1 Audits/Visitationen in der vertragsärztlichen Versorgung

Für die Durchführung von Audits/Visitationen in vertragsärztlichen Praxisnetzen hat M. Siebolds im Handbuch für Netzberater der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausführliche Empfehlungen formuliert [3].

Sinn und Zweck eines Audits
Generell wird bei Audits zwischen zwei Arten unterschieden, System- und Verfahrensaudits. Vereinfacht dienen erstere eher der formalen Überprüfung des QM-Sytems und beziehen sich dabei stark auf die Normforderungen. Letztere beziehen sich mehr auf einzelne Verfahren (Prozesse) und überprüfen, ob ein bestimmtes, beschriebenes Verfahren sinnvoll und praktikabel angewendet wird oder ob Verbesserungsbedarf besteht.

Für die praktische Durchführung des Verfahrensaudits in Netzen ergeben sich folgende Anforderungen (Anmerkung: Die dargelegten Anforderungen sind auf alle ambulanten Einrichtungen übertragbar):

  • Der Prozess der Bearbeitung der Verfahrensanweisung sollte einmal im Jahr mit jedem Netzarzt oder beteiligten Klinikarzt im Rahmen des Audits besprochen werden.
  • Es soll überprüft werden, ob alle in Frage kommenden Patienten gemäß der jeweiligen Verfahrensanweisung behandelt werden.
  • Es soll beobachtet werden, ob im Abweichungsfalle die Abweichungsdokumentation in den auf die Tätigkeit bezogenen Qualitätsaufzeichnungen korrekt durchgeführt wird.
  • Es soll festgestellt werden, ob die entsprechenden Dokumente regelgerecht archiviert wurden.
  • Es sollen Schwierigkeiten der Netzärzte bei der Arbeit mit den Verfahrensanweisungen besprochen werden.
  • Darüber hinaus soll diskutiert werden, ob die Verfahrensanweisung in der vorliegenden Form wirklich geeignet ist, die damit verfolgten Ziele zu erfüllen.
  • Einmal jährlich soll durch eine aggregierte Auswertung aller Abweichungsdokumentationen und aller Auditprotokolle ein Bild für die Gesamtsituation im Netz erstellt werden.
  • Bei Abweichung oder Fehlbearbeitung der Verfahrensanweisung sollen in einem vertrauensvollen Gespräch zwischen dem betreffenden Arzt und dem Qualitätsauditor Korrekturmaßnahmen besprochen werden, die dann vom Auditor später in einem Korrekturaudit nochmals auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden.
  • Qualitätsaudits sollten nicht dazu führen, dass die Verantwortung für die Erzielung der Qualitätsforderung von den Ärzten auf den Auditor übertragen wird.
  • Qualitätsaudits sollten nicht dazu führen, dass der Umfang der QM- und QS-Funktionen über das zur Erfüllung der Qualitätsziele erforderliche Maß hinaus ausgedehnt wird.

In den verschiedenen, für das ambulante Gesundheitswesen geeignete Qualitätsmanagement-Verfahren und -Ansätzen werden Fremdbewertungen auf der Grundlage der oben genannten Grundsätze durchgeführt. Die Modalitäten der jeweiligen externen Visitationen (EPA, QEP, KTQ) oder Audits (ISO) unterscheiden sich allerdings in manchen Details (Anzahl der Visitoren/Auditoren, Dauer, Kosten etc.). Auch Einstiegssysteme in das Qualitätsmanagement wie KPQM oder QUNO bestätigen durch entsprechende Visitationen, dass in diesem Fall das Ziel der QM-Fähigkeit der Praxis, erreicht wurde.

Literatur

  1. Blum K, Hanel E, Mündermann-Hahn A, Storm T et al. (2002) Leitfaden Klinische Audits – Projekt im Auftrag des BMG. Nomos, Baden-Baden
  2. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (2007) Curriculum Ärztliches Qualitätsmanagement. 4. Aufl., BÄK, Berlin
  3. Siebolds M (2000) Audits – erster Schritt zu einem medizinischen Controlling in Praxisnetzen und integrierten Angebotsstrukturen. In: Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Handbuch für Netzberater, KBV, Köln
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zuletzt verändert: 01.06.2023 | 11:01 Uhr