1 Übergreifende Informationen
1.1 In welchen medizinischen Bereichen werden Apps schon häufig angeboten?
Das Angebot an Gesundheits-Apps ist riesig und erstreckt sich auf viele Anwendungsgebiete. Einige richten sich vorrangig an Patientinnen und Patienten, andere sollen hingegen Ärztinnen und Ärzte im Berufsalltag unterstützen. Außerdem gibt es Angebote, welche die Kommunikation zwischen Arzt und Patient unterstützen sollen.
Das Deutsche Ärzteblatt stellt regelmäßig verschiedene Apps kurz und knapp mit Funktionsbeschreibung und einer Einschätzung vor: www.aerzteblatt.de/apps
Im Folgenden werden einige Beispiele aus verschiedenen medizinischen Bereichen genannt.
Therapeutische Interventionen
Gesundheitsrelevante Apps kommen im Bereich psychischer Erkrankungen zum Einsatz. Hier gibt es sowohl Therapeuten-geleitete Programme als auch Selbsthilfeprogramme [5]. Die computergestützte kognitive Verhaltenstherapie (kVT) als niederschwellige Intervention wurde als Option in die
S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie "Unipolare Depression" aufgenommen [6]. Auch bei Tinnitus oder zur Änderung des Ernährungsverhaltens sind Online-Behandlungen mithilfe von Apps denkbar [7,8].
- Übersicht über deutschsprachige Angebote bei Angsterkrankungen, Depressionen, Stress und Burnout von Härpfer et al. 2017
www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0038-1627033 - Informationen zum Projekt "e-mental health innovation and transnational implementation center North-West Europe (eMEN)"
www.dgppn.de/schwerpunkte/e-mental-health/emen-projekt.html
Therapieunterstützung
Viele Apps sind mit dem Ziel konzipiert, den Alltag von Menschen mit chronischen Erkrankungen zu erleichtern. Besonders groß ist das Angebot an digitalen Tagebüchern, mit denen man Beschwerden oder die Einnahme von Medikamenten protokollieren kann. Dokumentieren lassen sich so beispielsweise Kopfschmerzen oder Blutdruck.
Für Menschen mit Herzbeschwerden gibt es Apps zur Detektion von Herzrhythmusstörungen, die an entsprechende Mess-Armbänder gekoppelt sind [9,10]. Eine telemedizinische Betreuung von bestimmten Menschen mit Herzinsuffizienz wird in der Nationalen VersorgungsLeitlinie "Chronische Herzinsuffizienz" als Option genannt [11-13]. Auch bei der Wundversorgung oder dem Schmerzmanagement können Apps unterstützen [14].
In Apps für Menschen mit Diabetes können Rechner integriert sein, welche die benötigte Insulin-Dosis angeben. Manche Apps sind so konzipiert, dass reale beratende Personen oder sogar Therapeutinnen oder Therapeuten zur Verfügung stehen, die bei Fragen kontaktiert werden können. Menschen mit Hämophilie, die Gerinnungsfaktoren selbst injizieren, fühlen sich mit einer App sicherer, wenn sie ihre Daten regelmäßig digital erfassen und an die Ärztin oder den Arzt übermitteln können.
In der Onkologie werden Apps unter anderem zur Erfassung der Lebensqualität eingesetzt. eHealth-Angebote und Gesundheits-Apps für Menschen mit Krebs werden in einem EU-Projekt entwickelt: www.imanagecancer.eu
Diagnostik
Ein weiteres Einsatzgebiet für Apps stellt die Diagnostik dar. Beispielsweise können Apps anhand von Fotos dabei unterstützen, Melanome zu erkennen [15,16]. Diagnostik-Apps können zudem einen niederschwelligen Zugang zur Behandlung schaffen, dies ist beispielsweise die Intention von Apps zur Abklärung von Geschlechtskrankheiten [17].
Nachsorge
Vor allem an chronisch kranke Menschen richten sich Apps, die an die Einnahme von Medikamenten erinnern [18].
Limitationen: App bleibt technisches Hilfsmittel
Unabhängig davon, ob medizinische Apps von jemanden allein oder gemeinsam mit Ärztin oder Arzt genutzt werden, besteht Einigkeit darüber, dass Apps unterstützen, die ärztliche Diagnose oder Behandlung aber nicht ersetzen können.
1.2 Wie ist der Umgang mit Gesundheits-Apps im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) geregelt?
Im Dezember 2019 ist das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) in Kraft getreten [1]. Dort ist festgelegt, dass sogenannte Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verschrieben und durch die Krankenkasse erstattet werden können [1]. Auch Gesundheits-Apps können als solche DiGA gelten [19]. Dafür müssen sie bestimmte Anforderungen erfüllen:
Unter DiGA versteht man Angebote, die hauptsächlich auf digitalen Technologien basieren [1,19,20]. Sie sollen dabei unterstützen, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen, zu behandeln oder zu lindern. Auch bei Verletzungen oder Behinderungen können sie zum Einsatz kommen. Außerdem muss eine DiGA als Medizinprodukt der Risikoklasse I oder IIa zugelassen sein.
Medizinprodukte werden generell in die Risikoklassen I, IIa, IIb und III unterteilt [21-23]. Dabei ist die Stufe I die geringste und die Stufe III die höchste Risikoklasse. In welche Risikoklasse ein Medizinprodukt fällt, richtet sich vor allem nach dem möglichen Schaden, den ein Fehler oder ein Ausfall des Produktes verursachen kann [24]. Außerdem spielen der Grad der Invasivität und die Anwendungsdauer eine Rolle. Je nach Risikoklasse und Anwendung durchläuft ein Medizinprodukt ein sogenanntes Konformitätsbewertungsverfahren, an dessen Ende das Produkt für den europäischen Markt zugelassen ist [21-23]. Einzelheiten zu den Risikoklassen müssen Sie sich nicht merken. Es ist wichtig zu wissen, dass der Hersteller die Klassifikation vornimmt und es Risikoklassen ebenfalls für Apps gibt.
Unter die Risikoklassen I und IIa zählen zum Beispiel Gesundheits-Apps, mit denen sich Blutdruckwerte dokumentieren lassen oder die an die Einnahme von Medikamenten erinnern. Demgegenüber wirken Medizinprodukte der Risikoklasse IIb und III direkt in irgendeiner Form auf den Körper und haben ein höheres Gefahrenpotenzial. Dazu gehören Geräte wie Defibrillatoren, Beatmungsgeräte oder Herzkatheter. Aber auch Apps zur Messung von Vitalparametern können zu einer höheren Risikoklasse zählen, wenn sich die Behandlung daran orientiert.
Außerdem sind laut DVG [1] nur solche Apps der Klassen I und IIa erstattungsfähig, die:
- vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in ein neu zu schaffendes Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 39e SGB-V aufgenommen wurden und
- entweder nach ärztlicher oder psychotherapeutischer Verordnung oder mit Genehmigung der Krankenkasse angewendet werden. Im letzteren Fall bestimmen die Kassen Kriterien und Verfahren selbst.
Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG)
Orientierungshilfe Medical Apps vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
Kriterien für die Erstattungsfähigkeit von Apps
Um in das Register des BfArM für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA-Verzeichnis) aufgenommen zu werden, muss ein Hersteller nachweisen, dass seine App eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllt [19,25]. Details dafür hat das BMG in einer gesonderten Verordnung zum DVG festgelegt – der sogenannten Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung – DiGAV [25]. Demnach gehören zu den Kriterien beispielsweise Datenschutz und -sicherheit, Verbraucherschutz, Nutzerfreundlichkeit und Patientensicherheit. Zudem muss die App werbefrei und so gestaltet sein, dass sie robust gegen Störungen ist. Das heißt zum Beispiel, dass bei einem Strom- oder Internetausfall keine Daten verloren gehen können. Der Hersteller muss in seinem Antrag an das BfArM detaillierte Angaben zu diesen Aspekten machen. Daneben wird vom Hersteller gefordert anzugeben, ob seine App auf gesichertem medizinischem Wissen beruht. Dafür muss er die Quellen veröffentlichen, wie Leitlinien, Lehrwerke und Studien [25]. Wenn eine Gesundheits-App im DiGA-Verzeichnis gelistet ist, wissen Sie also, dass sie grundlegende Anforderungen erfüllt.
Auch muss der Hersteller Ärztinnen und Ärzte informieren und unterstützen, die in die Nutzung der App eingebunden sind [25]. Hierzu sollen zum Beispiel Informationen verfügbar sein, wie Sie Patientinnen und Patienten in die Nutzung der App einweisen können.
Außerdem setzt die Aufnahme in das Verzeichnis einen "positiven Versorgungseffekt" der App voraus. Gemeint ist damit ein medizinischer Nutzen oder eine patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung [1]. Dies bedeutet konkret zum Beispiel eine Verbesserung des Gesundheitszustandes, der Lebensqualität, der Adhärenz oder der Gesundheitskompetenz [25]. Den medizinischen Nutzen muss der App-Anbieter mittels einer vergleichenden Studie belegen und die Ergebnisse im Internet veröffentlichen.
Wenn der Nachweis eines positiven Versorgungseffektes noch nicht möglich ist, können Apps zunächst für zwölf Monate in die Regelversorgung aufgenommen werden. In dieser Zeit muss der Hersteller den Nachweis erbringen. Eine einmalige Verlängerung der Probephase um 12 Monate ist möglich.
Nach Aufnahme in die Versorgung verhandeln der GKV-Spitzenverband und der App-Hersteller die Vergütung für die App.
Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen beim BfArM – DiGA-Verzeichnis
Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung – DiGAV
Leitfaden des BfArM zum Fast-Track-Verfahren für digitale Gesundheitsanwendungen
1.3 Wie kann ich eine Gesundheits-App verordnen?
Beispiel 1 |
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Einer Patientin, die einen Bandscheibenvorfall hatte, möchte gern eine App nutzen, die zu Übungen gegen Rückenschmerzen anleitet. Sie hat festgestellt, dass die App im DiGA-Verzeichnis gelistet ist und fragt, ob Sie ihr diese App verordnen können. Wie können Sie die App verschreiben? |
Eine Gesundheits-App aus dem DiGA-Verzeichnis verordnen Sie mit dem Formular 16, welches für Arznei- und Hilfsmittel gilt [26]. Dort geben Sie mindestens die Pharmazentralnummer an. Diese Informationen finden Sie zukünftig im Praxisverwaltungssystem. Mit dem Rezept wendet sich die Patientin oder der Patient an die Krankenkasse. Diese vergibt einen Code, um die App in einem Online-Store herunterladen und freischalten zu können.
Wenn mit der App-Anwendung ärztliche Leistungen erforderlich sind, erhalten Sie dafür eine Vergütung [1]. Bei der Festlegung der Vergütung spielt es eine Rolle, ob eine App dauerhaft im DiGA-Verzeichnis oder noch in der Erprobungsphase ist:
- Bei digitalen Anwendungen, die dauerhaft im DiGA-Verzeichnis sind, wird die Höhe der Vergütung für die vertragsärztliche Versorgung von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband im Bewertungsausschuss der Ärzte auf Bundesebene im einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vereinbart. Dafür ist drei Monate Zeit, nachdem die App in das Verzeichnis aufgenommen wurde.
- Bei Apps, die vorläufig im Verzeichnis gelistet sind, prüfen und vereinbaren die Partner der Bundesmantelverträge innerhalb von drei Monaten das Honorar für ärztliche Leistungen.
Noch sind aber nicht alle Details zur Vergütung geregelt. Versicherte können bis dahin die ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit einer digitalen Anwendung auch per Kostenerstattung in Anspruch nehmen [26].
Informationen des BfArM zur Verordnung
Informationen zur GOÄ-Novellierung
1.4 Wie kann ich selbst die Qualität einer App beurteilen?
Die Qualität gehört zu den Hot Topics, wenn es um Gesundheits-Apps geht. Das Thema hängt eng zusammen mit den Initiativen von Fachgesellschaften und Organisationen, die auf mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit abzielen. Auch für Patientinnen und Patienten gibt es Informationsmaterialien und Checklisten.
An Literatur und Checklisten zur Beurteilung der Qualität von Gesundheits-Apps mangelt es nicht [27-32]. Zusammengenommen gehen die vorgeschlagenen Kriterien alle in eine ähnliche Richtung. Was derzeit fehlt, ist eine Art Konsensuspaper mit verbindlichen Kriterien [33].
Das Thema "Gesundheits-Apps" haben Forschende erstmals in der CHARISMHA-Studie wissenschaftlich untersucht [34]. Ein Kapitel widmet sich dem Thema, was speziell Ärztinnen und Ärzte bei der Beurteilung und dem Einsatz von Apps berücksichtigen sollten. Beispielhaft werden hier die in dieser Studie empfohlenen Schlüsselkriterien vorgestellt, auf die man achten sollte [35]:
Kriterien zur Beurteilung der Qualität einer Gesundheits-App
Kriterium | Erläuterungen |
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Zweckbeschreibung und Zielgruppe | Welchen Zweck hat die App und an welche Zielgruppe richtet sie sich? |
Funktionalitäten | Welche Funktionen hat die App? Dienen sie dem Zweck der App? |
Datenimport und Export | Bei der Weitergabe von Daten sollten standardisierte statt eigener Formate des Herstellers verwendet werden. |
Einschränkungen und Limitierungen | Zum Beispiel Funktionsverlust unter bestimmten Bedingungen, mangelnde Eignung bei bestimmten Fragestellungen. |
Mögliche Einsatzszenarien und Limitationen | In welchen Szenarien beziehungsweise Umgebungsbedingungen soll die App eingesetzt werden, und in welchen eher nicht? |
Nachgewiesene Wirksamkeit oder Ungefährlichkeit | Gibt es nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte Studien, die die Wirksamkeit der App bestätigen? |
Verlässlichkeit der Inhalte | Wer hat die Inhalte der App erstellt und welche Qualifikationen haben die Autorinnen und Autoren? Sind wissenschaftlich anerkannte Quellen genannt? |
Medizinprodukt | Bei diagnostischem und/oder therapeutischem Anwendungszweck muss ein CE‑Kennzeichen mit Nennung der Medizinproduktklasse vorhanden sein. |
Gebrauchstauglichkeit, Stabilität und Benutzerfreundlichkeit | Lässt sich die App gut bedienen? Wurden entsprechende Tests durchgeführt? |
Angaben zum Hersteller | Liegen vollständige Informationen zum Hersteller inklusive Kontaktdaten und möglichen Interessenkonflikten vor? |
Datenschutzerklärung | Ist eine Datenschutzerklärung vorhanden, die auf die spezifische App eingeht? Sie sollte einfach und verständlich formuliert sein. |
Regelmäßige Aktualisierung | Wird die App regelmäßig aktualisiert? Dies kann sowohl inhaltliche als auch technische Aspekte betreffen. |
Datenschutz und Datensicherheit | Ist die App passwortgeschützt? Werden Daten verschlüsselt gespeichert oder übertragen? Werden die Daten an Server-Systeme in Deutschland oder der EU übermittelt? Zumindest sollte der Hersteller seinen Sitz hier haben. Ist die Datenerfassung auf das notwendige Minimum beschränkt? |
Risiko-Nutzen-Verhältnis | Überwiegt der Nutzen der App das Risikopotenzial (sowohl medizinisch als auch im Hinblick auf Datenschutz et cetera)? |
Zertifikate, Gütesiegel | Hat die App ein Gütesiegel oder eine Zertifizierung? Dann sollte die Seriosität des jeweiligen Anbieters überprüft werden. |
Das Kapitel 14 "Orientierung für professionelle Anwender von Gesundheits-Apps" im Bericht zur CHARISMHA-Studie [35] richtet sich an professionelle Nutzende von Gesundheits-Apps, darin finden Sie auch die Tabelle mit weiteren Erläuterungen: www.charismha.de
Darüber hinaus gibt es eine Checkliste zur Selbsteinschätzung der Wichtigkeit von Qualitätsprinzipien und Recherchehilfe zum Auffinden relevanter Informationen zu Gesundheits-Apps: https://mhh-publikationsserver.gbv.de/receive/mhh_mods_00001103
Datensicherheit
Hinsichtlich der Datensicherheit gilt für Apps, die innerhalb der Europäischen Union angeboten werden, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) [36]. Gerade bei Gesundheits-Apps werden aber immer wieder Beispiele für schwere Mängel oder gar Verstöße bekannt [37-40]. Für Anwendende ist es aber praktisch nicht möglich, dies zu beurteilen oder gar zu überprüfen. Wie dieses Problem gelöst werden kann, ist derzeit noch unklar.
Gütesiegel
Für die Verschreibung und Erstattung von Gesundheits-Apps ist nicht ein Gütesiegel entscheidend, sondern der Eintrag im DiGA-Verzeichnis beim BfArM. Gütesiegel und Zertifizierungen können jedoch die Orientierung erleichtern. Da sie dezentral entwickelt werden, kennen jedoch die Wenigsten die unterschiedlichen Siegel und ihre Bedeutung. Auch werden bei der Vergabe sehr unterschiedliche Anforderungen an die Qualität einer App gestellt [41]. Deshalb sollten Sie hinterfragen, wer der Anbieter ist, wie getestet wurde, und mit welcher Absicht.
Medizinprodukte
Damit Patientinnen und Patienten eine verordnete App von der Krankenkasse bezahlt bekommen, muss sie als Medizinprodukt der Risikoklasse I oder IIa gelten und in das DiGA-Verzeichnis beim BfArM eingetragen sein [1]. Eine App ist ein Medizinprodukt, wenn sie einen medizinischen Zweck verfolgt, also diagnostisch oder therapeutisch genutzt werden soll. Abhängig von der Risikoklasse müssen die Hersteller dokumentieren, dass alle technischen Standards zur Sicherung der Qualität eingehalten wurden. Somit bedeutet das CE-Kennzeichen lediglich, dass bei der App bestimmte Regularien befolgt wurden [42,43]. Von Laien kann die Zertifizierung als Medizinprodukt als Qualitätsmerkmal im Sinne einer medizinischen Prüfung missverstanden werden. Das CE-Kennzeichen ist aber kein Gütesiegel.
Datenbankunterstützung zur Bewertung von Gesundheits-Apps
Einen anderen Ansatz verfolgt das Projekt AppKri, das vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) entwickelt wurde. Aus fast 300 Qualitätskriterien lassen sich diejenigen zusammenstellen, die für die jeweilige App relevant sind. Die Datenbank ist sehr komplex und richtet sich vor allem an Kostenträger, medizinische Fachgesellschaften, Selbstverwaltungskörperschaften, Einrichtungen des Verbraucherschutzes und Patientenverbände:
www.innovationszentrum-telehealth.de/go/appkri
1.5 Was gilt für den Einsatz der App und die Haftung?
Der Einsatz von Apps kann für Patientinnen und Patienten sinnvoll und sogar medizinisch geboten sein. Zu Haftungsfragen gibt es bisher jedoch kaum Erfahrungen. Allerdings lassen sich Parallelen zur Empfehlung einer traditionellen Behandlungsoption ziehen, bei der Sie auch wissen müssen, auf welcher Evidenz sie beruht, für welche Patientinnen und Patienten sie geeignet ist und welche Risiken bestehen. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die Empfehlung digitaler Anwendungen [44]. Grundsätzlich muss Ihnen im Schadensfall auch hier die Patientin oder der Patient nachweisen, dass Sie fehlerhaft gehandelt haben und darauf der eingetretene Schaden zurückzuführen ist.
App für Patientinnen und Patienten als Bestandteil der Behandlung
Wenn Sie eine Gesundheits-App verordnet haben und diese im Rahmen der Behandlung einbeziehen, übernehmen Sie damit die Verantwortung gegenüber der Patientin oder dem Patienten. "Einbeziehen in die Behandlung" heißt zum Beispiel, dass Sie eine Therapie aufgrund der Werte, die eine App gemessen hat, anpassen oder sich darauf verlassen, dass sich die Werte nicht geändert haben. In diesen Fällen müssen Sie über den Gebrauch der App aufklären beziehungsweise informieren. Sofern die App personenbezogene Daten erhebt, sind Sie außerdem verpflichtet, Ihre Patientinnen und Patienten zu informieren, dass diese Angaben verarbeitet werden. Hierzu sollten Sie auf die Datenschutzerklärung des App-Anbieters verweisen.
Grundsätzlich haften Ärztinnen und Ärzte nur dann, wenn sie ein Verschulden trifft. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine App nicht zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eingesetzt oder blind auf deren Funktionsfähigkeit vertraut wird, ohne wenigstens die Plausibilität der Ergebnisse hierzu zu prüfen.
Sie müssen sich daher vergewissern, dass die App für den Zweck, zu dem sie eingesetzt werden soll, auch geeignet ist. Bei einem CE-zertifizierten Medizinprodukt muss der Zweck immer angegeben sein. Apps, die dazu keine Angaben machen, sollten Sie nicht einsetzen [44].
Sie müssen im Rahmen Ihrer Möglichkeiten prüfen, ob die App den angegebenen Zweck tatsächlich erfüllt und ob sie sicher ist. Angaben hierzu finden sich in der Beschreibung der App inklusive der Gebrauchsanleitung. Sie müssen sich auch informieren, welche Einschränkungen sie hat und welche Hinweise zur Sicherheit vorliegen. Wie umfangreich die Prüfung ist, richtet sich nach dem möglichen Schadenspotenzial der App. Je höher das Risiko, desto gründlicher muss sie vorab geprüft werden [44,45]. Das Risiko steigt, wenn eine App diagnostisch oder therapeutisch eingesetzt wird, viele Funktionen hat und wenn Gesundheitsdaten verarbeitet und übermittelt werden. Eine Rolle spielt auch, wie häufig sie genutzt wird.
Wenn eine App im Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen beim BfArM aufgenommen ist, können Sie davon ausgehen, dass sie überprüft ist und den festgelegten Anforderungen beziehungsweise dem aktuellen Standard entspricht. Falls es sich aber nicht um eine App aus diesem Verzeichnis handelt, ist es besonders ratsam, diese selbst auszuprobieren. Gesundheits-Apps, die nicht im DiGA-Verzeichnis beim BfArM gelistet sind, sind nicht verordnungsfähig.
Diese Fragen können helfen, eine App zu beurteilen:
- Geht aus der Datenschutzerklärung hervor, ob die App Gesundheitsdaten weitergibt oder diese zu kommerziellen Zwecken nutzt?
- Sind die Informationen richtig und aktuell?
- Gibt es Angaben, wie die Berechnung oder die Auswertung erfolgt?
- Sind die Ergebnisse realistisch und nachvollziehbar?
Was müssen Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten prüfen?
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App für Patientinnen und Patienten außerhalb der Behandlung
Eine Patientin und ein Patient kann eine App auch ganz privat oder nur mit Genehmigung der Krankenkasse nutzen, ohne dass Sie diese verschrieben haben.
Wenn entsprechende Apps bekanntermaßen häufiger eingesetzt werden, sollten Sie Ihre Patientinnen und Patienten fragen, ob sie eine App verwenden – genau so, wie Sie es bei OTC-Präparaten auch tun würden. Sie müssen Ihre Patientin oder Ihren Patienten zudem informieren, wenn die App – zum Beispiel aufgrund von Komorbiditäten – kontraindiziert ist oder sogar Schaden anrichten kann.
Krankenkassen können unmittelbar haften, wenn sie eine App selbst herstellen oder selbst anbieten oder durch einen Kooperationspartner kostenlos oder vergünstigt zur Verfügung stellen − zum Beispiel im Rahmen von Bonus- oder Disease-Management-Programmen.